

Wie das Waldbaden Stress lindert.
„Im Wald kommen Menschen mit sich selbst in Verbindung“, erklärt die Psychologin Suse Schumacher. Und zwar, weil die natürlichen Reize diese Entspannungsmomente fördern, die notwendig sind, um den Geist zu öffnen. „Nur in der Entspannung können wir weiterdenken und in den Lösungsraum eintreten.“ Schumacher arbeitet als systemische Coachin in Berlin und nutzt den Wald als Therapieraum. Über ihre Arbeit im Waldcoaching hat sie ein Buch („Die Psychologie des Waldes“) geschrieben.
Dabei wirken Naturräume wie Spiegel, so Schumacher: Lichtungen, Bäume oder Tiere können als Metaphern dienen, um Veränderungen anzustoßen. „Der Wald kommuniziert mit uns, wir gehen mit ihm in Resonanz. Wenn man still ist, kommen die Vögel näher. Ein Dialog entsteht“, beschreibt sie die Dynamik. Eine wichtige Besonderheit: Der Wald bietet einen Rückzugsort, an dem keine Anforderungen gestellt werden. „Im Wald darf ich einfach sein, niemand erwartet etwas von mir“, sagt Schumacher. Diese Freiheit – Stichwort Durchatmen – fördert innere Ruhe und erleichtert die Achtsamkeit.
Das klingt schon ein bisschen anders als ein gewöhnlicher Spaziergang unter Bäumen, und das ist es auch: Es geht darum, den Wald bewusst zu betreten, ihm „ohne Absicht und frei zu begegnen“, sagt Elisabeth Rauh. In Japan wurde dafür der Begriff „Shinrin Yoku“, geprägt, das „Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes“. Seit den 1980er-Jahren ist diese Praxis dort anerkannt und gehört zur Gesundheitsvorsorge. Und sie findet auch hierzulande immer mehr Anhänger.
Wie bekommen wir es hin, dass das Eintauchen gelingt? Dabei helfen Rituale:
- Vor dem Eintritt: Sorgen und Gedanken symbolisch „an einen Baum hängen“ oder mit einem Ast eine Linie im Boden ziehen. Diese Linie markiert den Übergang in die Waldwelt.
- Im Wald: Sinneswahrnehmungen aktivieren – etwa die Rinde eines Baumes berühren, den Geruch der Erde wahrnehmen oder den Geschmack von Beeren erleben. „Der Blick in den Himmel hilft zudem, eine Verbindung nach draußen herzustellen“, erklärt Rauh.
- Beim Verlassen: Erinnerungen wie Blätter oder Kastanien mitnehmen. „Was man mitnimmt, bleibt jedem selbst überlassen – Wald bedeutet Freiheit.“
In Japan gibt es sogar „Waldbademeister“, doch fürs Waldbaden benötigt man nicht zwingend eine therapeutische Begleitung. Es reicht, das Prinzip zu verstehen, damit man es alleine weiterführen kann, so Rauh. In ihrer Klinik dauert ein Waldbad zwei Stunden. Für Anfänger ist diese Dauer ebenfalls ratsam. Später kann auch eine kurze Mittagspause im Grünen genügen, um eine ähnliche Wirkung hervorzurufen, sagt sie.
Nicht jeder hat einen Wald direkt vor der Haustür. Doch auch ohne direkten Zugang gibt es Möglichkeiten, Natur in den Alltag zu integrieren: Schon kleine Naturmomente, etwa ein Baum im Park oder ein Sitzplatz am Bach, können einen entspannen. „Hat man diesen Naturort gefunden, betritt man bewusst seinen Raum, verbindet sich mit ihm und lässt ihn wirken“, rät Elisabeth Rauh.
Wichtig bei allen Maßnahmen: dass man sich auf Natur einlässt, sie wahrnimmt. Dafür muss man bewusst innehalten und den Moment der Ruhe nutzen, um von der äußeren Wahrnehmung zur inneren zu kommen.
Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn
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